RUN Forward mittendrin: Die NFL zu Gast in Berlin
- Ferdinand von Stolzmann

- 10. Nov.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 7 Tagen
Zugegeben: In unserem Beruf dreht sich häufig alles um den Fußball. Und das ist auch schön. Aber ein bisschen Abwechslung hat noch keinem geschadet. Vor allem nicht, wenn es sich bei der Abwechslung um meine persönliche große Leidenschaft handelt. Seit mittlerweile zwölf Jahren bin ich dem American Football und vor allem der NFL verfallen. Jeden Sonntag verfolge ich mit ein paar Freunden, die diese Leidenschaft teilen und mich regelmäßig im Fantasy Football zur Weißglut treiben, die Partien. Als vor einem Jahr verkündet wurde, dass ein NFL-Spiel im Berliner Olympiastadion stattfinden soll, hatte ich mir den Termin schon fett im Kalender markiert. Als die Jungs sich überlegten Tickets für das Match zu kaufen, habe ich schon abgelehnt und alles darauf gesetzt, beruflich am Start sein zu dürfen. Das Risiko hat sich ausgezahlt!
Zwei Wochen vor dem Spiel haben Dennis und Ich erfahren, dass wir unseren SPORT1-Kollegen Jonas aus München in Berlin unterstützen dürfen. Je näher das Spiel rückte, umso stärker wurde die Vorfreude. Dabei hatte ich all das noch gar nicht wirklich realisiert, wodurch ich vor allem den Spieltag total entspannt und unaufgeregt genossen habe.
Angefangen beim Tag selbst. Der 9. November. Für uns Deutsche ein in positiver wie negativer Hinsicht sehr historischer Tag. Zum einen wäre da die Reichsprogromnacht von 1938, mit der der Holocaust begann. Zum anderen fiel an genau diesem Datum 1989 die deutsche Mauer. Und jetzt 36 Jahre später steigt an diesem Tag das erste NFL-Regular-Season-Spiel in Berlin. Dem historischen Hintergrund wurde mit einer spektakulären Choreo und dem Song „Wind of Change“ noch eine ganz emotionale Note verliehen.

Jetzt aber zum Sport! Erst eine Woche zuvor war ich für das Duell Hertha BSC gegen Dynamo Dresden im Olympiastadion. Die Stimmungen hätten nicht unterschiedlicher sein können. Berlin gegen Dresden wurde als Hochrisikospiel mit 1000 aktiven Einsatzkräften behandelt. Die Kapazität des Stadions wurde zudem aus Sicherheitsgründen reduziert. Als Journalist habe ich die Anspannung bei allen und mir selbst gespürt. Beim NFL-Spiel zwischen den Indianapolis Colts und den Atlanta Falcons waren Sicherheitsbedenken aufgrund gewaltbereiter Zuschauer nicht in den schlimmsten Albträumen ein Thema. Das Tolle an den International Games der NFL ist, dass Fans aller 32 Mannschaften zusammenkommen und einfach den Sport und die Liga, die sie nur aus weiter Ferne kennen, hautnah erleben dürfen. Alle sind gut drauf, wollen wie eine große Football-Familie diesen Feiertag zu einem unvergesslichen machen. Dieses familiäre, lockere Gefühl hat sich auch auf die Journalisten übertragen. Während des Spiel saß ich neben Dennis und einem Kollegen von der Sports Illustrated. Die vollen drei Stunden haben wir zusammen philosophiert, gelacht und mitgefiebert. Für mich war es definitiv das geselligste Erlebnis bei einer Partie, die ich beruflich verfolgt habe. Auch die amerikanischen Journalisten machten auf mich einen entspannten Eindruck. Vor dem Spiel waren wir unten am Feld, sind unter anderem Quarterback-Legende Kurt Warner über den Weg gelaufen und haben ein Foto mit ihm gemacht. Wenn man den Tag nochmal revue passieren lässt, ist es schon verdammt schwer sein persönliches Highlight zu küren. Versucht haben wir es trotzdem!

Ferdis Highlight:
Ob durch den Film „Blind Side“, unzählige Dokumentationen oder das ständige Gucken der Spiele; mir war schon immer klar, dass die NFL-Profis athletisch auf einem ganz eigenen Level unterwegs sind. Immer wieder behaupten Spieler nach guten Leistungen, sie sind „built different“. Das kann ich so bestätigen – egal wie sie gespielt haben. Als ich Kurt Warner die Hand geschüttelt habe, war meine plötzlich weg. Man kann es sich biologisch kaum erklären, aber der Mann hat Hände so groß wie mein Brustkorb. Wenig später joggte Drake London von den Falcons an mir vorbei. Ja, ich hatte erahnt, dass der Mann gut durchtrainiert ist. Aber beim Blick auf seine Beine und Arme war ich kurz erschrocken. Jeder einzelne Muskel war auf maximaler Spannung und dieser Körper bringt gleichzeitig auch eine enorme Präsenz und Ausstrahlung mit sich. Die Krone setzten dann alle Offensive- und Defensive-Line-Spieler auf. Was für diese Jungs die Arme sind, sind bei mir die Beine. Und das ist echt keine Übertreibung! Wirklich faszinierend ist für mich dann vor allem die Einordnung dieser Körper. Jede Position sieht vom Körperbau anders aus. Klar, irgendwo logisch, da jede Position eine ganz eigene Aufgabe im ganzheitlichen Spiel hat. Die Profis bringen sich für den Zeitraum ihrer Karriere in den benötigten körperlichen Zustand, um best möglich abliefern zu können. Nach der Laufbahn wiederum gibt es die Rolle rückwärts. Das perfekte Beispiel? Sebastian Vollmer. Als Offensive-Lineman gewann der Deutsche zwei Super Bowls und war dementsprechend schwer und mit dickem massigen Bauch unterwegs. Jetzt sieht er fernab der gegebenen Körpergröße aus, wie ein ganz gewöhnlicher Mensch. Diese Erkenntnisse hätte ich in dieser Tiefe aus der Ferne niemals gewinnen können. NFL-Profis haben viel Talent. Aber noch beeindruckender sind die notwendigen körperlichen Voraussetzungen und der anschließende Fleiß und die Besessenheit der athletischen Perfektion.

Dennis' Highlight:
Man kennt es im deutschen und generell europäischen Fußball: die Spieler und Trainer werden bestmöglich abgeschirmt. Vor Interviews oder Medienrunden werden die Protagonisten in allen Themen „gebrieft“. Im American Football bzw. in unserem Fall bei den Atlanta Falcons und Indianapolis Colts war das komplette Gegenteil der Fall. Sicherlich wurden die Spieler und Trainer vorher von den jeweiligen Pressesprechern in gewissen Themen eingeweiht. Und trotzdem bekam man bei jeder Frage eine ausführliche Antwort. Was das Ganze noch gewichtiger macht: es haben sich gleich fünf oder sechs Spieler beider Teams zwei Tage vor und direkt nach dem Spiel die Zeit genommen, die Fragen der Journalisten und Journalistinnen zu beantworten. So auch Jonathan Taylor – Star-Running-Back der Indianapolis Colts. Schon vor dem Spiel hat er sich viel Zeit genommen, hat über alle möglichen Themen gesprochen. Seine Geschichte für das Spiel: Im Berlin-Game stellte er den Franchise-Rekord der Colts in erlaufenen Touchdowns auf. Ein historischer Moment, der für immer mit dem Olympiastadion verbunden bleiben wird. Im Anschluss an die Begegnung nahm er sich wieder die Zeit, um mit allen über dieses Spiel zu sprechen. Während viele dann von ihren persönlichen Erfolgen erzählen würden, bedankte sich Taylor zuerst bei seinen Mannschaftskollegen, die ihn auf dem Weg zum Rekord begleitet haben, ihm diesen Weg entscheidend ebneten. Zwei Sätze von ihm, die bei mir bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Es ist ein weiterer Aspekt, in der von Ferdi angesprochenen Erkenntnis, bezüglich der Profis. Neben Talent, Fleiß und Besessenheit an Perfektion zeigt Jonathan Taylor zudem, wie wichtig bei all den Performern in diesem Sport der Teamgeist und Respekt ist, damit man gemeinsam Erfolg haben kann.







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