Meine Überraschung bei der Derby-Rückkehr
- Niclas Löwendorf

- 8. Dez.
- 3 Min. Lesezeit
Dass der Job als Videojournalist immer wieder mit Premieren und Überraschungen um die Ecke kommt, ist mittlerweile gelernt. Bestes Beispiel: das vergangene Wochenende. Über zehn Jahre bin ich mittlerweile als Videojournalist unterwegs, doch nie war ich vorher beim so legendären und hitzigen Nordderby zwischen dem Hamburger SV und dem SV Werder Bremen vor Ort. Zumindest nicht, wenn es in der ersten Bundesliga ausgetragen wurde. Kein Wunder, denn in den vergangenen zehn Jahren war alleine der HSV sieben in der zweiten Bundesliga - und das Derby, welches 2021 unter Corona-Bedingungen stattfand, klammere ich da Mal aus.
Dieses erste Bundesliga-Nordderby seit fast acht Jahren hatte - wie sollte es auch anders sein - ebenfalls seine unerwarteten Momente im Gepäck. Diese begangen schon weit vor dem Anpfiff. Genauer gesagt um 12 Uhr. Natürlich haben sich die Bremer Ultras vor diesem prestigeträchtigen Spiel etwas überlegt: einen Fanmarsch, 4,5 Kilometer vom S-Bahnhof Othmarschen über die Trabrennbahn Bahrenfeld zum Volksparkstadion. Erfahrungsgemäß konnte man davon ausgehen, dass es dort bereits knallt, Pyro gezündet wird, grün-weiße Fahnen die Hamburger Straßen fluten und auch die ein oder andere Eskalation nicht unwahrscheinlich ist.

Wir waren sowohl für SPORT1 als auch die Deichstube vor Ort und haben den Fanmarsch über die komplette Distanz begleitet. Und haben festgestellt: Nie in meinem Leben habe ich einen so friedlichen und gleichzeitig so stimmungsvollen Derby-Fanmarsch erlebt. Keine Randale, kaum Pyro-Fackeln, keine Vermummten in der ersten Reihe und vor allem keine Ansagen, dass wir die Kamera wegpacken sollen.

Das Ganze hatte natürlich einen Hintergrund, denn bei den letzten Nordderbys in der ersten Bundesliga wurden immer wieder Teile der aktiven Bremer-Fanszene vorher rausgefischt, durften das Stadion aufgrund ihres Fehlverhaltens nicht betreten. Also hieß die Devise diesmal: friedlich sein, was vorbildlich funktionierte.
Die Werder-Fans haben über die komplette Strecke ein stimmungsvolles, akustisches Feuerwerk hingelegt. Der Marsch kam ohne Beschwerden gegen 13 Uhr am Volksparkstadion an.
Für uns war es das perfekte Timing! Denn nur ungefähr eine halbe Stunde später kündigte sich der Busempfang der HSV-Fans an. Die Erwartungen waren groß, Insider verrieten uns im Vorhinein, dass „Fußballdeutschland nie einen Busempfang wie diesen gesehen hat“. Als wir am besagten Ort ankamen, waren bereits geschätzte 5000 Menschen da. Der Platz gesäumt von blauen Fahnen und leuchtenden Pyro-Fackeln. Fangesänge und Chöre hallten einem schon hunderte Meter entfernt die Uwe-Seeler-Allee entgegen.

Wir hatten uns aufgeteilt, mein Kollege Dennis hatte den Werder-Fanmarsch bereits frühzeitig verlassen, um für den parallel laufenden SPORT1-Doppelpass eine erste Impressionsstrecke anzuliefern und sich gleichzeitig einen guten Platz beim Busempfang zu sichern.

Tatsächlich hat sich die Mannschaft dann etwas Zeit gelassen und kam erst gegen 14 Uhr an. Doch anders als erwartet nicht im Mannschaftsbus! Ganz besondere Spiele erfordern ganz besondere Maßnahmen. Etwas, was man vor allem von großen Trainern in großen Spielen kennt, da aber oft auf taktischer Ebene - ich erinnere mich beispielsweise an Pep Guardiola oder Jogi Löw, die in Halbfinals mit Experimenten überraschten.
Merlin Polzin hatte sich einen anderen Kniff überlegt. 100 Meter vor dem Stadion hielt der Bus an. „Alle aussteigen!“. Und so kreierte der Cheftrainer einen ganz besonderen Derby-Moment. Denn die komplette HSV-Mannschaft machte sich zu Fuß auf den Weg zum Stadion. Zwischen unzähligen Fahnen und bunten Pyro-Fackeln schafften sie den Schulterschluss zwischen Fans und Mannschaft vor dem Spiel. Für uns die Geschichte des Tages! Vielleicht war es auch ein Puzzleteil, warum der HSV das Duell gegen Werder Bremen am Ende noch mit 3:2 für sich entscheiden konnte.
Derbys haben vorher für mich immer Stress bedeutet, aufgrund der Anspannung um die Spiele, weil man oft Kompromisse eingehen muss und gleichzeitig alles abbilden möchte, was passiert.
An diesem Wochenende habe ich aber gelernt: Derbys können auch friedlich und gleichzeitig extrem stimmungsvoll sein!







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