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  • AutorenbildNiclas Löwendorf

Ein wildes Pokalwochenende

Am kommenden Wochenende ist es wieder soweit: Die erste Runde im DFB-Pokal steht vor der Tür. Wir von RUN Forward Media sind dann beim Duell zwischen Phönix Lübeck aus der Regionalliga gegen Champions League-Finalist Borussia Dortmund im Einsatz. Auch in der Vergangenheit gab es unvergessliche Pokal-Erlebnisse. Reporter Niclas Löwendorf erinnert sich an ein ganz spezielles Wochenende im Jahr 2020 zurück:


„Der DFB-Pokal hat seine eigenen Gesetze“ - eine geläufige Phrase, die aber tatsächlich auch für uns Reporter zutrifft. Rückblende in die Saison 2020/ 2021. Die Corona-Pandemie hat die Welt fest in ihrem Griff. Über den gesamten Sommer hinweg stehen noch ganz viele Fragezeichen hinter der anstehenden Saison. Das „Wie“ ist dabei von entscheidender Bedeutung, denn für diese Spielzeit schreibt die DFL diverse Änderungen vor, die auch für uns relevant werden. „Sonderspielbetrieb“ ist das Stichwort.

Interviews, die in der Vergangenheit recht unkompliziert in der „Flash Zone“ (der Bereich hinter Spielertunnel und vor den Kabinen) produziert wurden, werden nun nach draußen verlagert, oft sogar mit dem Reporter auf der Tribüne, der zum interviewten Spieler runterschaut. Ein Bild, das viele sicherlich noch im Kopf haben. Die Mikrofon-Tonangel avanciert in dieser Zeit zu einem der wichtigsten Utensilien.





Und so kommt es, dass die erste Pokalrunde im Sommer 2020 auch mein erster Stadionbesuch nach Ausbruch der Pandemie wird. Eintracht Braunschweig gegen Hertha BSC - ein all-time Klassiker in der ersten Pokalrunde. Schließlich wurde die Partie schon 2018 und später dann auch 2022 so gelost. Ich erwische glücklicherweise das torreichste Spiel dieser drei Partien, 5:4 endet das Spektakel. Martin Kobylanski ist der alles überragende Akteur. Drei Treffer gehen auf sein Konto und sorgen damit erneut für einen absoluten Fehlstart der „alten Dame“, die dieses Jahr mit Bruno Labbadia ins Rennen geht. Ein nicht all zu langes Intermezzo, was man damals allerdings noch nicht absehen kann.


Was dieses Wochenende allerdings so besonders macht, ist die Schlagzahl an Einsätzen, die für mich folgen: Niedersachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen - meine Route über dieses Pokalwochenende, verteilt zwischen Freitag und Montag. Der Traum eines jeden Fußballfans und unser Job.

Jena und Rostock, meine nächsten beiden Stationen. Zwei mal setzt sich der Favorit souverän durch. Zum einen Werder Bremen bei Carl Zeiss, aber auch der VfB Stuttgart bei Hansa. 

Was ich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht ahne, dass das mit Abstand skurrilste an dieser Reise (und womöglich auch meiner Interview-Laufbahn) noch auf mich wartet. Denn: von Rostock geht es wieder einmal quer durch die Republik, bis in die Landeshauptstadt Sachsens: Dresden. Mein erster Besuch im Rudolf-Harbig-Stadion. 10.000 Menschen sind aufgrund der Pandemie zugelassen, auf dem Papier ist das Stadion ausverkauft. Denn jeder dritte Platz ist besetzt, das Maximum in dieser Zeit. Dynamo bringt den HSV durch den 4:1-Sieg in Erklärungsnot. Vielmehr ist es aber ein Neuzugang der Hamburger, der dem Verein durch sein Handeln Sorgen bereitet. Wahrscheinlich einer der größten Skandale der ganzen Saison und der vergangenen Jahre ereignete sich direkt neben mir.


Die 90 Minuten sind absolviert, der Schiedsrichter hat abgepfiffen. Und wir erinnern uns: Durch die Corona-Pandemie ist vieles neu in der Abwicklung der Interviews. In Dresden führen wir die Gespräche plötzlich nicht von der Tribüne aus sondern auf Abstand, dem Gesprächspartner direkt gegenüber. Natürlich mit Maske, aber mehr oder weniger wie früher.


Natürlich wünscht man sich nach dem Ausscheiden in Runde 1 einen Hamburger Führungsspieler. Es läuft auf Kapitän Tim Leibold oder Neuzugang Toni Leistner hinaus. Ich entscheide mich für den Linksverteidiger, während Leistner nebenan zu den Kollegen von Sky geht.

Was bei mir wie ein normales Interview anfängt, geht jedoch nicht wie ein normales Interview zu Ende. Denn während Leibold an meinem SPORT1-Mikrofon nach Ansätzen sucht, die Niederlage zu erklären, wird Toni Leistner noch vor seinem Interview von der Dresdener Tribüne aus so stark provoziert, dass er in einer Kurzschluss-Reaktion auf die Tribüne klettert. Und dazwischen liegt eine sage und schreibe 2,50 Meter hohe Betonmauer. Ganz schnell überwindet Leistner diese Mauer - was Adrenalin alles auslösen kann. Durch die Unruhe auf der Tribüne hinter mir, wird mir schnell deutlich, dass etwas nicht nach Plan läuft. Tim Leibold unterbricht seine Antwort - ich drehe die Kamera in Richtung der Zuschauerränge. Und dort geht HSV-Profi Toni Leistner tatsächlich auf einen Fan los.

Mein laufendes Interview wird natürlich abgebrochen, so schnell muss man sich manchmal entscheiden. Denn in dieser Sekunde ist mir klar: die Geschichte des Abends ist nicht mehr das Ausscheiden in Runde 1, sondern der kletternde Leistner, der den Fan am Kragen packt.





Eine viertägige Pokalreise endet also direkt mit einem Folgeauftrag. Mein freier Tag nach dieser Reise: natürlich gestrichen. Denn Tags darauf geht es natürlich in die mediale Aufarbeitung. Dienstag-Abend um 19:30 Uhr ist Leistner mit seiner Kletter-Aktion das Aufmacher-Thema in den Sport1 News. Ich hatte mich mittlerweile vor dem Volksparkstadion platziert, es folgt eine Live-Schalte. Wie konnte der Skandal passieren? Wie war der Ablauf? Welche Konsequenzen hat Leistner zu befürchten? Ist so ein Spieler noch tragbar? 


1880 Kilometer in vier Tagen, zusammengerechnet etwas mehr als 19 Stunden Fahrzeit im Auto. Vier Highlight-Pokalspiele mit so unterschiedlichen Geschichten. Auch das ist es, was unseren Job so besonders macht. Wenn auch die Tage aufgrund der Reiserei intensiv und fordernd waren - so ist mir danach auch klar geworden: dieses Pokalwochenende wird nicht nur Toni Leistner unvergessen bleiben, sondern auch mir. Und: Der DFB-Pokal schreibt doch wirklich immer wieder seine eigenen Geschichten!

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