Ein Buskorso, eine Feier auf dem Rathausplatz, der Eintrag ins goldenen Buch der Stadt und ein
Feuerwerk. Von all diesen Dingen sollten zumindest zwei bis drei bei einer guten Aufstiegsfeier umgesetzt werden. Holstein Kiel hat das Feiern eines Aufstieges auf ein neues Level gehoben und gleich all diese Punkte und noch viel mehr abgearbeitet:
Die Rahmenbedingungen für die große Aufstiegsparty an der Förde waren perfekt. Kaum Wolken am Himmel, sommerliche 25 Grad Celsius, eine leichte Brise vom Meer zum Abkühlen und Pfingstmontag als Feiertag. Es gab wirklich keine Ausreden, für die Wenigen, die nicht da waren. Mein Auftrag war klar. Für die News-Sendung von Sport1 um 19:30 Uhr ein Aufsagerstück bereitstellen, um die Stimmung zu transportieren. Eigentlich kein Problem, da laut des Kieler Partyablaufs der Buskorso um 14 Uhr am Stadion starten sollte. Von dort ging es zum Rathaus, wo sich die Mannschaft ab 16 Uhr auf dem Rathausbalkon feiern lassen sollte. Wie geplant startete der Buskorso am Holstein-Stadion um Punkt 14 Uhr. Ich hatte mich mit meiner Kamera unter die Fans gemischt und drehte die ersten Bilder für den geplanten Aufsager. Schon am Stadion war eine besondere Stimmung zu spüren. Der Großteil der Anhänger lief neben den Bussen her, einige hatten ihre Fahrräder, Motorräder und Autos mit Flaggen und Schals geschmückt. Das Ganze hatte etwas von einer Pilgerfahrt. Nach den ersten Metern habe ich mich vom großen Tross abgesetzt, damit ich bloß nichts auf dem Rathausplatz verpasse. Die Distanz zwischen Stadion und Rathaus beträgt knapp 3 Kilometer, für den Weg brauchte ich ungefähr 45 Minuten.
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Als ich am Rathausplatz ankam, hatten sich dort schon viele Fans eingefunden und freuten sich auf ihre Mannschaft. Nachdem ich mich auf dem Presseturm aufgebaut hatte und wie die Tausenden Fans auf die Mannschaft freute, hatte ich Zeit, mich einfach mal umzuschauen und überhaupt zu realisieren, was da eigentlich alles los war. Der Rathausplatz war rappelvoll. Bereits vor 16 Uhr, also der geplanten Ankunftszeit der Mannschaft, mussten die Organisatoren den Einlass stoppen, da bereits 7500 Menschen zum feiern gekommen waren. Für diejenigen, die zu spät dran waren, wurden gut 300 Meter weiter große Leinwände aufgebaut, damit wirklich jeder Teil dieser Aufstiegsfeier sein konnte.
Der Fan-Wahnsinn hatte sich in der Zeit aber auch schon weit über den Rathausplatz ausgebreitet. Der Buskorso kam in den Straßen Kiels einfach nicht voran, weil so viele Anhänger mit den Bussen
mitgelaufen waren und diese praktisch in Richtung Rathaus geschoben hatten. Es wurde 16 Uhr, 16:30 Uhr, 17 Uhr. Recht schnell wurde mir klar: so bald wird die Mannschaft hier nicht eintreffen. Das bedeutete auch, dass es mir schier unmöglich sein würde, ein vernünftiges Aufsagerstück produzieren zu können. Also hieß es: Rücksprache mit der Leiterin der Sendung der Sport1-News. Mit der vereinbarte ich, dass wir auf eine Live-Schalte umplanen würden. So konnte ich mich eigentlich auf meinem Platz auf dem Presseturm zurücklehnen und beobachten, was sich da vor mir abspielte. Auf einer großen Bühne heizte ein lokaler Radiosprecher die Massen an, die Cheerleader von Holstein Kiel präsentierten spektakuläre Pyramiden und Salti, ein DJ legte auf und zu Klassikern wie Sweet Caroline sang nahezu jeder mit. Ganz ohne Fußballmannschaft hatte ich das Gefühl, dass ich nicht auf einer Aufstiegsfeier, sondern auf einem Musikfestival bin. Der sportliche Bezug wurde allerdings regelmäßig wiederhergestellt. Über große Leinwände wurde mehrmals live auf den Bus mit den ganzen Spielern geschaltet. Dort nahmen sich beispielsweise Finn Porath, Timo Becker und Marcel Rapp das Mikrofon und richteten Grüße und Trinksprüche an die wartenden Fans auf dem Rathausplatz. Das emotionale Highlight der großen Warterei
waren dann nochmal die letzten fünf Minuten vom Heimspiel gegen Düsseldorf, bei dem die KSV den Aufstieg eine Woche zuvor klargemacht hatte. Wie bei einem Public Viewing durchlebten alle Zuschauer nochmal die Schlussphase und beim Abpfiff brach großer Jubel aus.
Um 18:30 Uhr kam dann endlich die Mannschaft am Rathaus an. Zur Erinnerung: Für dieselbe Strecke habe ich zu Fuß eine Dreiviertelstunde gebraucht – die Busse viereinhalb Stunden. Angekommen am Rathaus standen für die Aufstiegshelden aber erst einmal offizielle Termine an. Der Bürgermeister der Stadt Kiel sowie der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein nahmen das Team in Empfang, das sich nach einer kurzen Rede ins goldene Buch der Stadt eintragen durfte. Um 19 Uhr ging es dann endlich auf den Balkon und auf den Rathausplatz, wo die Fans sie mit Gesängen und Applaus abfeierten.
Währenddessen musste ich mich schon etwas von der Feier absetzen und einen ruhigeren Ort aufsuchen, an dem ich schalten konnte. Zu Beginn war ich noch etwas nervös, da ich erstmals live geschaltet wurde, ohne überhaupt zu wissen, was mich der Moderator fragen würde. Recht schnell habe ich aber gemerkt, dass das nicht unbedingt etwas Schlechtes sein muss. Ganz
unvoreingenommen konnte ich meine Erlebnisse schildern und den Tag selbst noch einmal durchleben.
Dabei ist mir eines klar geworden: Mit so einem Tag hätte ich niemals gerechnet. Insgesamt haben 20 000 Menschen mit den Störchen gefeiert. Kiel ist ja auch immerhin der erste Bundesligist aus
Schleswig-Holstein. Dementsprechend habe ich über den Tag hinweg nicht nur Kieler getroffen. Auf
dem Weg vom Stadion zum Rathaus konnte ich mich mit einer Gruppe Fans unterhalten, die extra aus Flensburg angereist waren. Bedenkt man, dass alleine in Kiel knapp 250 000 Menschen wohnen und dazu noch viele weitere Einwohner Schleswig-Holsteins diese Mannschaft in der kommenden Saison unterstützen werden, dann kann man mit Fug und Recht behaupten, dass Holstein Kiel auch aufgrund der Fanbase eine Bereicherung für die Bundesliga ist.
Ich persönlich freue mich jetzt schon auf die neue Saison und da ich selbst Schleswig-Holsteiner bin, werde ich insgeheim auch ein wenig mit den Kielern mitfiebern.
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