Das verflixte siebte Jahr
- Ferdinand von Stolzmann
- vor 7 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
RUN Forward Media gibt es mittlerweile seit fünf Jahren. Seit fünf Jahren sind wir ganz nah dran am Sport und erleben regelmäßig spannende Tage, die einen immer wieder aufs neue fordern und einem in Erinnerung bleiben. Aber in dieser Woche ist es anders: Noch waren wir nicht unterwegs, geschweige denn ganz nah dran. Und dennoch wissen wir: Diese Woche und die damit verbundenen Einsätze können historisch werden!

Die Geschichte zu dieser Woche beginnt aber schon weit vor der Gründung von RUN Forward. Und zwar am 12. Mai 2018. Der HSV steigt erstmals in seiner Vereinsgeschichte aus der Bundesliga ab und ist gleichzeitig das letzte Gründungsmitglied, dass den Gang in Liga zwei antreten muss.
Nico ist damals schon als Reporter im Stadion und erlebt das, was Ich mit gerade einmal 16 Jahren fassungslos und niedergeschlagen im Fernsehen sehe. Der HSV führt mit 2:1 gegen Gladbach, kann sich selbst aber nicht mehr retten, da die Konkurrenz ebenfalls punktet. Die Bilder, die sich kurz vor Abpfiff abspielen, sind mir bis heute noch ganz präsent im Gedächtnis geblieben. Laute Knalle. Dazu ein pechschwarzer Rauch unter dem vereinzelt rote Bengalos bedrohlich aufleuchten. Es sind Bilder, wie ich sie mir immer durch Dokumentationen über das Ende der Dinosaurier vorgestellt habe. Jetzt haben sie den Untergang des Bundesliga-Dinos begleitet. Ich wohne knappe 30 Kilometer vom Volkspark entfernt und doch gehen diese Szenen unter die Haut. Ich spüre förmlich die Wut, die Gewalt und die Trauer von vor Ort.

Im Stadion ist für Nico die Erfahrung aber natürlich noch viel realer: „Der Pyrowahnsinn kurz vor Abpfiff hat die ganze Sache noch schlimmer gemacht. Alle wussten: Jetzt passiert es. Die etwa halbstündige Spielunterbrechung hat den Moment des Abstiegs dann nochmal künstlich verlängert. Unterdessen lagen sich mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des HSV mit Tränen in den Augen in den Armen. Das war ein Bild, das sich bei mir eingebrannt hat. Als die letzten Sekunden dann noch der Form halber wiederangepfiffen wurden, hatte Keeper Julian Pollersbeck nicht mal mehr Handschuhe an.“
Trotz der Ausschreitungen kurz vor dem Ende bleibt das Team auf dem Platz und dreht eine letzte Runde als Bundesligist, um sich trotz allem für die Unterstützung bei den Fans zu bedanken. Viele Spieler haben dabei ebenfalls Tränen in den Augen und können das, was gerade passiert ist, wohl noch gar nicht realisieren. Egal wie groß der Schmerz in diesem Moment ist, das Geschäft Fußball muss auch an diesem Tag weiterlaufen.
Nico ist währenddessen in die Mixed Zone gegangen und steht den Spielern in Interviews direkt
gegenüber: „In der Mixed Zone nach dem besiegelten Abstieg war ich ziemlich beeindruckt von einigen Aussagen. Aaron Hunt und Lewis Holtby zum Beispiel wirkten schon wenige Minuten nach Abpfiff ziemlich sicher, in Hamburg bleiben zu wollen. In unseren Interviews war viel Leere zu spüren, aber eben auch der Wille, den Schaden reparieren zu wollen. Was ja bekanntermaßen die folgenden sechs Saisons am Stück knapp scheitern sollte."

Blickt man auf bisherigen Spielzeiten des HSV in der 2. Bundesliga, dann behaupten nicht wenige
höhnisch, dass der Verein alles dafür getan hat, um mal wieder die Klasse zu halten. Wir sind da aber ganz anderer Meinung! Seit einigen Wochen ist klar, die Chance auf den Aufstieg ist so groß wie noch nie. Wir sind als Redaktion gefragt und überlegen von Woche zu Woche, wie wir die letzten Schritte zum Saisonfinale abdecken und begleiten können. Natürlich kommt man da nicht um die vielen knapp verpassten Aufstiege in den Vorjahren herum. Neben der berühmten April-Schwäche ist uns aber was noch viel wichtigeres aufgefallen. Egal welchen Kader man sich vom HSV in der zweiten Liga anschaut, die Qualität war immer aufstiegstauglich. Holtby, Hunt, DouglasSantos, Schaub, Ulreich und und und... Dazu liefen Toptalente wie Amadou Onana oder Orel Mangala für die Rothosen in Liga zwei auf. Das Resultat war zwar nie der Aufstieg – aber der HSV ist auch nicht wie Nürnberg oder Hannover im Mittelfeld der 2. Bundesliga versunken. Die Bemühungen sind also in jedem Jahr klar zu erkennen. In dieser Saison wird es aller Voraussicht nach endlich mit der Rückkehr in die Bundesliga klappen, weil der Verein eben weiterhin extrem bemüht war. Da sind zum einen die Transfers im Sommer von beispielsweise Davie Selke oder Adam Karabec. Oder die neuen Spieler, die im Winter geholt wurden, von jungen Talenten mit viel Potential für die Zukunft wie Alexander Rössing-Lelesiit. Und natürlich der Trainerwechsel von Steffen Baumgart hin zu Merlin Polzin. Nach dem ersten Spieltag durfte ich ein Interview mit Ransford Königsdörffer führen und ich habe ihn damals gefragt, warum der HSV in dieser Saison endlich aufsteigt. Seine Antwort: „Es ist für uns das siebte Jahr in der zweiten Liga. Für viele ist die Zahl sieben verflucht und bringt Pech. Wir hatten aber in den letzten Jahren immer Pech und deshalb glaube ich, dass wir dieses Jahr einfach mal etwas Glück haben.“ Vielleicht war es Glück, dass sich Robert Glatzel verletzt hat und in seiner Abwesenheit Selke nicht nur zum Topscorer sondern auch zum Leader der Mannschaft geworden ist. Vielleicht ist es glücklich, dass die Konkurrenz in dieser Saison so wenig Punkte sammelt. Für mich sind es aber vielmehr die bereits genannten Bemühungen des Vereins, die den möglichen Aufstieg des HSV begründen.
Und damit sind wir wieder in dieser Woche angekommen. Den HSV trennt lediglich ein Heimsieg gegen den Tabellensiebzehnten aus Ulm von der Bundesliga. Für uns ist es gleich doppelt spannend, denn die Partie wird am Samstag um 20:30 Uhr angepfiffen und läuft somit live auf Sport1. Für die Liveübertragung produzieren wir eine MAZ für den Vorlauf. Der Auftrag ist dabei klar: Der HSV kann erstmals aufsteigen und das nach vielen Jahren des Leidens und des Misserfolges. Da braucht es ein emotionales Stück mit großen Namen. Unsere Castlist, die wir im Büro in Hamburg Eppendorf erarbeitet haben: Bürgermeister Peter Tschentscher, Kult-Fan Helm-Peter, Ex-Spieler Aaron Hunt und Torjäger Robert Glatzel. So viele Protagonisten in einer MAZ gab's in meiner Zeit bei RUN Forward noch nie.
Es ist also alles angerichtet für eine denkwürdige Woche. Und sollte der HSV tatsächlich aufsteigen, dann werden allein schon durch die Feierlichkeiten nach Saisonende viele weitere unvergessliche Tage dazukommen.
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