Wenn man auf die vergangenen Wochen zurückblickt, wird einem erst richtig bewusst, wie absurd und schnelllebig unser Geschäft doch ist. Erst hält uns vier Wochen lang die Europameisterschaft in Atem, nur kurz darauf folgt das nächste spannende Projekt: Trainingslager mit RB Leipzig in den USA! Sieben Tage, vollgepackt. New York und Miami. Schönere Arbeitsplätze gibt es wohl kaum.
Für SPORT1 war ich vor Ort mit dabei und erfüllte den klassischen Job des Videojournalisten. Heißt: drehen, schneiden, vertonen und alle möglichen Reporter-Tätigkeiten. Die Vielfältigkeit ist gerade bei so einer Reise von Vorteil. So konnte ich mich selbst organisieren, wusste schon während der Medientermine, welches Bild und welchen Ton ich für meinen Beitrag brauche. Das beschleunigt natürlich einiges in der Postproduktion.
Angekommen in New York. Die 14-Stunden Reise noch in den Knochen. Wobei der Flug das Luxuriöseste war, was ich je erleben durfte. Businessclass fliegen, gemeinsam mit der Mannschaft. Zwei Drei Gänge-Menüs während des Fluges – einmal so leben wie ein Profifußballer.
Und dieser Luxus hielt die komplette Reise. Auch im gleichen Hotel wie Mannschaft und Staff durften wir Journalisten leben. Natürlich lässt sich RB da nicht lumpen, die Unterkunft hatte den besten Ausblick auf die Skyline von Manhattan. Viel mehr geht eigentlich nicht. Zudem hatte die Unterbringung den Vorteil, wirklich nah dran zu sein. Auf jeder Fahrstuhl-Fahrt begegnete man jemand anders. Neuzugang Maarten Vandevoort, Nachwuchskoordinator Manuel Baum, Coach Marco Rose oder auch Lois Openda und Benjamin Sesko teilten sich die Kabine mit mir. Klassische Smalltalk-Themen: Jetlag, die ersten Eindrücke oder auch das neue Klima. Denn am "Big Apple" wurde man mit einer Hitzewand konfrontiert, garniert mit 75% Luftfeuchtigkeit. Um dem entgegenzuwirken, entscheidet man sich in den USA konsequent mit Klimaanlagen zu arbeiten. Von 33 Grad auf gefühlte -10, sobald man einen Raum betritt.
Die Tage waren komplett durchgetaktet. Gerade in New York, wo Leipzig natürlich den kurzen Draht zum Partnerverein genutzt hat. Training in der Akademie der New York Red Bulls und auch das Testspiel gegen Aston Villa fand natürlich in der Red Bull Arena statt. Wobei die Akademie dort mehr aussieht wie ein Containerdorf. Kein Luxus, wie es manche Premier League-Clubs haben, oder auch RB Leipzig mit seiner Akademie. Aber keine Sorge: zur WM 2026 wird bereits eine neue gebaut.
Trainiert wurde in NY in den vier Tagen nur zwei Mal. Viel mehr setzte RB bei der Reise auf Marketing. Unzählige PR-Termine standen an. So beispielsweise ein Training mit den Footballern der New York Giants, ein medienwirksamer Besuch im Central Park, bei dem auf der Rasenfläche gekickt wurde, oder auch die Präsentation des neuen Ausweichtrikots - natürlich am Times Square, wo auch sonst. Die horrende Gebühr wurde vom Club in Kauf genommen. Einmal die Muskeln spielen lassen an einem der bekanntesten Orte der Welt. So eine Trikotvorstellung gab es in der Bundesliga wahrscheinlich noch nie.
Apropos Muskeln spielen lassen: Natürlich wurde jede Busfahrt der Leipziger Mannschaft von einer Polizeieskorte durch die überfüllten New Yorker-Stadtverkehr gelotst. Rote Ampeln – Fehlanzeige. Auf der Standspur am Stau vorbei drängeln mit Blaulicht vorweg. Kurioserweise kann man dies für nur 200 US-Dollar buchen. Unvorstellbar in Deutschland.
Wenn man schon einmal in der selbst titulierten Welthauptstadt unterwegs ist, muss man natürlich auch das Sightseeing-Programm mitnehmen. Glücklicherweise tat sich am letzten Tag vor Ort ein Zeitfenster von 4 Stunden auf. Genug Zeit, um alles einmal abzulaufen. Das bedrückende Gefühl am 9/11 Memorial werde ich allerdings so schnell nicht los. Einer Frau neben mir hatte Tränen in den Augen, während sie vor sich eine Rose an der Gedenkstätte niederlegte.
Versunken in Gedanken wurde ich in die Realität zurückgeholt, als ein Jogger die trauernde Dame fast anrempelte. Fast schon ein Symbol der Schnelllebigkeit dieser Stadt. Ohnehin sind die vielen Jogger mitten in Manhattan mir ein großes Rätsel. Unübertroffen allerdings die zwei Kollegen, die sich am Times Square durch die Menschenmassen quetschten. 50 Meter laufen, ausweichen, abstoppen, durchdrängeln und weiter. Alles für die Bestzeit. Wenn die Kollegen nicht auf einen Parkour-Lauf hin trainieren, würde ich den Ort der Joggingrunde allerdings doch stark hinterfragen.
Für jeden, der einen Trip in die USA plant, kann ich nur den Abschnitt „Dumbo“ in Brooklyn empfehlen. Von einer guten Freundin empfohlen, ist es mir als Highlight hängen geblieben. Einmal über die Brücke rüber, wartet direkt am Ufer ein kleiner Park mit der wohl schönsten Aussicht auf Manhattan und die Brooklyn Bridge. Zwei deutsche Urlauber folgten wahrscheinlich auch diesem Geheimtipp und setzten sich neben mich. „Unnötig groß“ sind die ersten Worte, die fallen, während sie auf die Skyline blicken. So kann man es auch ausdrücken. Ganz unrecht haben sie allerdings nicht.
Denn schon nach wenigen Minuten in Manhattan weiß man, wie es ist, von einer Stadt erschlagen zu werden. So viele Eindrücke, Sehenswürdigkeiten, Polizeisirenen oder Hubschrauber, die über einen kreisen. Aber wer mag es den Helikopter-Besitzern verübeln, wenn man den Stadtverkehr mit all seinen Staus gesehen hat. Das Land ist ausgelegt aufs Auto, New York diesem Andrang allerdings nicht mehr gewachsen.
Jobtechnisch war New York auch geprägt von vielfältigen Aufträgen. So bekam ich beispielsweise Neuzugang Assan Ouedraogo für ein Exklusivinterview im Central Park. Neben den zwei Trainingseinheiten und dem Leipziger Testspiel hatten wir zudem Zutritt zum Leagues Cup-Spiel zwischen den New York Red Bulls und den Mexikanern von CF Pachuca. Die 90 Minuten Spielzeit plus anschließendes Elfmeterschießen ließen mich stark hinterfragen, warum der ehemalige Hertha-Trainer Sandro Schwarz seinen Job in New York angenommen hat. Verspringende Bälle, teilweise ein katastrophaler erster Kontakt, absurde Laufwege. Das Highlight war der mexikanische Keeper, der einen Torschuss schon im Aus wähnte, nicht so aber die New Yorker. Während der Keeper zur Bande lief und sich einen neuen Ball holte, hatten die New Yorker die Spielball im Feld halten können und das leere Tor vor sich. Nützte alles nichts, denn sie trafen leider nur den Pfosten. Slapstick pur.
Nach vier ereignisreichen Tagen ging es weiter. Von New York, the city that never sleeps, nach Miami, Florida, wo Trubel auch keine unbekannte Vokabel ist. 3 Stunden Inlandsflug, wieder Businessclass. RBs PR-Maschinerie wurde dort allerdings etwas zurückgefahren. Zwar durfte beispielsweise Yussuf Poulsen noch mit mit einer Cliff-Diverin von Red Bull vom 10-Meter-Turm ins Wasser springen, aber die meisten Termine hatten dann doch bereits in New York stattgefunden.
Auch in Miami stand eine Trainingseinheit an. Auf dem Gelände von Inter Miami und damit dem Club von Lionel Messi. Die Stadt ist übrigens gespickt mit Messi-Potraits. Wer der Superstar in der Stadt ist, wird schnell deutlich.
Im Vergleich zu New York war es in Miami nochmal wärmer, bei knapp 80% Luftfeuchtigkeit. So muss es sich wohl in Bangkok anfühlen. Hatte zur Folge, dass die insgesamt dritte Einheit der sieben Tage auch noch auf 60 Minuten verkürzt wurde. Von einem richtigen Trainingslager kann man bei der Reise also nicht sprechen, zumal sich auch die drei Keeper in Miami selbst trainierten, da Torwarttrainer Frederik Gößling aufgrund der Einschulung seines Kindes bereits den Heimweg angetreten hatte. Der positive Trend der Testspielsiege wurde in Miami dann auch gebrochen. Während man gegen Premier League Club Aston Villa noch souverän 2:0 gewonnen hatte, ging der Test gegen die Wolverhampton Wanderers im strömenden Regen mit 0:3 verloren.
Und genau dieser Regen war es auch, der das letzte Kapitel bestimmte. Während wir nach dem orkanartigen Unwetter in der Pressekonferenz mit Marco Rose saßen, heulten plötzlich 15 Handys auf. Tornado-Alarm. „Bitte sofort feste Gebäude und Keller aufsuchen. Achten Sie auf umherfliegende Trümmer“, so die Notwarnung. Und dabei sollte doch in zwei Stunden unser Rückflug zurück nach Deutschland starten. Die Pressekonferenz wurde schnell beendet, die Interviews mit den Spielern fielen aus. Sofortige Abfahrt zum Flughafen und nach Absprache mit dem Piloten und Flugtower stand fest: wir trotzen der Windhose und den Blitzen und treten den Rückflug an. Um 0:30 Uhr Ortszeit ging es mit ein paar Turbulenzen in die Lüfte, um 18 Uhr deutscher Ortszeit landeten wir sicher am Leipziger Flughafen. Natürlich musste diese Reise noch sein Staffelfinale bekommen.
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