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Krisen, Skandale & Absurditäten

Autorenbild: Dennis TrolldenierDennis Trolldenier

Bisher haben wir in unserem regelmäßigen Blog zumeist von schönen, ereignisreichen oder atemberaubenden Momenten, Reisen oder Erlebnissen geschrieben. Doch es gibt auch andere Geschehnisse und Geschichten, die eine große Aufmerksamkeit auf sich ziehen: Skandale, Krisen und Absurditäten. In den vergangenen Jahren haben wir so einige erlebt. Und ein Verein hat sich in dieser Hinsicht schon mehrfach in den „Vordergrund“ gespielt.

Diese Szene hat mit Sicherheit noch ganz Fußball-Deutschland im Gedächtnis: im Nachholspiel zwischen Bayern München und Union Berlin entwickelt sich eine vermeintlich harmlose Situation binnen Sekunden zum Skandal. Der Ball geht nach einem Berliner Kontakt ins Seitenaus, Leroy Sané will das Spiel schnell machen, doch Unions damaliger Trainer Nenad Bjelica verhindert dies, will den Ball nicht rausgeben. Beide geraten leicht aneinander und plötzlich greift Bjelica dem deutschen Nationalspieler ins Gesicht und das sogar zwei Mal. Beide können nur durch mehrere Mitspieler und Betreuer voneinander getrennt werden. Bjelica sieht die rote Karte, fliegt vom Platz und kommt selbst auf der Tribüne nicht wirklich zur Ruhe. Für uns bedeutet das: In der nächsten Sport1-News-Sendung bringen wir unsere Eindrücke des Skandals und unsere Infos via Live-Schalte ein. Im März 2024, knapp zwei Monate später, treffen wir uns dann für Sport1 mit Nenad Bjelica zu einem Exklusivinterview in Berlin. Natürlich ist da auch die Skandal-Szene Thema. Der Coach bereut die Aktion und erklärt, dass sich vor allem unmittelbar nach dem Spiel die Tage wie Wochen angefühlt haben. Schließlich vergleicht sich der Kroate vom Typ her mit José Mourinho. Der Portugiese ist für seinen speziellen Charakter und seine temperamentvolle Art bekannt – Nenad Bjelica spätestens nach dem Sané-Vorfall als der „kroatische Mourinho“ ebenfalls. Zumindest in Deutschland und der Bundesliga.


Nenad Bjelica im SPORT1-Interview
Nenad Bjelica im SPORT1-Interview

Kurz nach dem Interview mit Bjelica richten sich unsere Blicke nach Bremen: Vor dem Gastspiel bei Bayer 04 Leverkusen, die sich an diesem Nachmittag zum Meister krönen würden, sorgt ein Bremer für einen Riesen-Skandal. Der Spieler weigert sich, in den Bus zu steigen, tritt die Reise ins Rheinland einfach nicht an.

Doch blicken wir zuerst ein paar Monate zurück: Im Sommer 2023 verpflichtet Werder Bremen völlig überraschend einen Champions-League-Sieger und englischen Meister: Naby Keïta. Damals ein absoluter Ausnahmetransfer, der die Hoffnungen und Träume von besseren Zeiten enorm anheizt. Doch die Bremer Zeit des Mittelfeldspielers aus Guinea ist geprägt von Verletzungen. Beim Warmmachen vor seinem ersten Testspiel verletzt sich der Nationalspieler, fällt für mehrere Wochen aus. Am fünften Spieltag feiert Werders Nummer 8 sein langersehntes aber nur einminütiges Debüt. Schnell folgt ein weiterer Ausfall, zudem reist der Ex-Leipziger im Januar nach überstandener Verletzung, für viele überraschend, mit Guinea zum Afrika-Cup. Es folgt besagter 13. April 2024 - Tag der Reise-Verweigerung. In der Folge wird der Mittelfeldspieler für die verbleibenden Saisonspiele suspendiert und die Mannschaft spielt sich - scheinbar befreit - in den Dunstkreis der europäischen Wettbewerbe. Auch in der folgenden Saison ändert sich an der Rolle Keïtas nichts. Seine Tage bei Werder scheinen gezählt, seine Chance, wieder in den Profikader zu rücken, wird von den Bremer Verantwortlichen mehrmals öffentlich mit null Prozent beziffert. Nach einigen Trainingsmonaten in der U23 geht das gescheiterte Kapitel Naby Keïta bei Werder Bremen durch den Leihwechsel zu Ferencvaros Budapest nach Ungarn (vorerst) zu Ende.


Ein einziges Transfer-Missverständnis: Naby Keïta
Ein einziges Transfer-Missverständnis: Naby Keïta

Bleiben wir in Bremen und blicken auf zwei Ex-Trainer. Zum einen ist da Florian Kohfeldt, der über 20 Jahre verschiedene Rollen im Verein einnimmt: als Spieler bei der Reserve, Trainer im Jugendbereich und schließlich als Cheftrainer der Profis. Seine Verbundenheit zu Werder ist ist enorm. Doch nach einer fantastischen Einstands-Saison, die fast mit der Qualifikation für Europa gefeiert werden durfte, beginnt eine lange Leidenszeit. Werder Bremen schafft im Sommer 2020 den Klassenerhalt nur durch die Auswärtstoregel in der Relegation. Auch in der folgenden Spielzeit läuft nicht alles glatt. Im Herbst sieht sich Kohfeldt gezwungen, den Spielern im Training ein wenig Feuer zu machen. Bei einer vermeintlich simplen Spielaufbau-Übung schleichen sich in den Augen des Trainers zu viele Fehler und Ungenauigkeiten ein. Kohfeldt, der generell schon immer etwas lauter spricht, ist auf dem gesamten Osterdeich nicht mehr zu überhören: „Was versteht ihr nicht an nicht zurückdenken? […]  Spielt nicht einfach das, was ihr wollt, sondern das, was wir wollen!“ Ich stehe mit der Kamera auf dem Medienturm an Werders Trainingsplatz, nehme alles auf. Die lauten Worte des Coaches sind hinterher glockenklar zu verstehen. Diese Szene wird mir wahrscheinlich nie aus dem Kopf gehen, schließlich ereignet sie sich bei einem meiner ersten Einsätze überhaupt für RUN Forward Media. Glücklicherweise bin ich genau im richtigen Moment mit der Kamera auf Kohfeldt, kann den Ausraster bestens einfangen.


Der Clip geht anschließend viral, sodass nicht nur unsere festen Partner der DeichStube und Sport1 ihn ausspielen, sondern unter anderem auch das ZDF sich meldet. Auf Dauer hilft aber auch die sehr deutliche Ansprache nichts. Zehn Spieltage vor Schluss hat Werder zwar 30 Punkte auf dem Konto und acht Zähler Vorsprung auf den ersten direkten Abstiegsplatz. Aber: Neun der folgenden zehn Spiele gehen verloren. Vor dem letzten Spieltag muss Florian Kohfeldt dann seinen Platz für Thomas Schaaf räumen, den Abstieg kann die Bremer Legende dann aber auch nicht mehr verhindern. Das Abstiegsdrama erleben wir mitten in der Corona-Zeit live vor dem Stadion in Bremen mit, da noch immer strenge Kontakt- und Veranstaltungs-Regeln herrschen. Die Trauer, aber auch der Frust und die Wut nach dem ersten Abstieg seit 42 Jahren sind deutlich spürbar – und auch verbunden mit dem Namen Florian Kohfeldt.

Sein Nachfolger sorgt bundesweit womöglich für einen der größten Sport-Skandale der vergangenen Jahrzehnte. Während der Pandemie müssen wir alle auf alltägliche Dinge verzichten: Kontakte sollen minimiert werden, viele Events darf man nur mit Impfung oder vorherigem Test besuchen.

Markus Anfang wird mit der Mission Wiederaufstieg für eine sechsstellige Ablösesumme aus Darmstadt verpflichtet. Seine Voraussetzungen sind alles andere als einfach. Durch den Abstieg muss Werder Einnahmen generieren, Spieler müssen verkauft werden. Bis zum Ende der Transferphase weiß keiner, welche Spieler bleiben und welche gehen. Entsprechend läuft der Saisonstart holprig. Am 13. Spieltag liegt Werder nur auf Platz acht, mit sechs Zählern Rückstand auf einen direkten Aufstiegsplatz. Vor dem Heimspiel gegen Schalke 04 gerät dann völlig überraschend Markus Anfang ins Visier der Gesundheitsbehörden. Innenverteidiger Marco Friedl ist an Corona erkrankt, wie damals üblich müssen die Menschen mit direktem Kontakt überprüft werden. Dabei fällt den Behörden plötzlich auf, dass die Impfpässe von Markus Anfang und seinem Co-Trainer Florian Junge gefälscht sind. Es folgt ein Novum in der bunten Bundesliga-Welt: noch am Spieltag selbst, wenige Stunden vor der Partie gegen Schalke 04 verkündet Markus Anfang seinen Rücktritt! Eine unglaubliche Hektik bricht aus, binnen weniger Stunden muss Werder einen neuen Trainer finden. Die Wahl fällt auf den bisherigen Co-Trainer Danijel Zenkovic, der im Topspiel einen glücklichen Punkt erkämpfen kann. Zenkovic erkrankt kurz darauf ebenfalls an Corona, weshalb Jugendtrainer Christian Brand interimsweise für eine Woche übernimmt und gegen Holstein Kiel die Geschicke leitet. Im Anschluss findet Werder Bremen dann endlich die große Lösung: Ole Werner, bis heute  Bremens Cheftrainer, wird an die Weser geholt. Die ersten sieben Partien unter seiner Leitung gewinnt Bremen, den Aufstieg schafft er auch. Und trotz dieser Erfolgsgeschichte bleibt die Erinnerung an die wilden Wochen, in denen die Bremer innerhalb von zwei Wochen gleich vier Cheftrainer an der Seitenlinie stehen hatte.

Kommen wir nun zum vermeintlich „besten“ Skandal-Lieferanten der vergangenen Jahre: Hertha BSC. Der Einstieg von Investor Lars Windhorst, das „Tagebuch“ von Jürgen Klinsmann, in dem fast jedem Spieler die Erstligatauglichkeit abgesprochen wird, unzählige Trainerwechsel.

Der Ungar Pal Dardai ist bei der „Alten Dame“ eine Legende, Rekordspieler und Trainerliebling. Über 25 Jahre ist er schon im Verein aktiv, hat ganze dreimal den Cheftrainerposten übernommen. In seiner zweiten Amtszeit wird er im Dezember 2021 nach schwachem Saisonstart entlassen und durch Tayfun Korkut ersetzt. Dieser hat zuvor vier Jahre keine Mannschaft mehr trainiert. In den ersten sechs Partien sammelt Hertha unter ihm acht Zähler, für Sport1 bin ich beim überraschenden Erfolg gegen den BVB im Olympiastadion dabei. Man hat das Gefühl, dass Korkut und die Hertha es den Kritikern zeigen können. Doch die anschließenden acht Begegnungen sprechen eine ganz andere Sprache. Hertha kann lediglich einen Punkt einfahren. Nach der Pleite gegen Frankfurt, Korkuts vorletztem Spiel als Hertha-Trainer, versammelt er die Mannschaft auf dem Trainingsplatz. Niclas Löwendorf und ich sind wieder für Sport1 vor Ort und werden Zeugen einer Wutrede. Der sonst so ruhige Cheftrainer fängt an zu motzen: „Scheiß auf mich, scheiß auf mich […] ich will, dass ihr gewinnt. Es ist eure Zukunft, nicht meine.“ Ich kann schnell reagieren und die Wutrede aufnehmen. Sofort ist uns klar: dieser Moment ist das nächste Kapitel in Herthas trauriger Entwicklung und gleichzeitig die Geschichte, an der wir unseren Beitrag des Tages aufbauen.  Was aus heutiger Sicht bleibt, ist die anschließende Niederlage gegen Mönchengladbach und das frühe Aus von Tayfun Korkut.


Tayfun Korkut staucht seine Hertha-Profis zusammen
Tayfun Korkut staucht seine Hertha-Profis zusammen

Neben den vielen schönen Momenten und Erlebnissen, die unser Job mitbringt, gibt es immer wieder Momente, die plötzlich aus dem Nichts aufkommen, sich zu Skandalen oder Kuriositäten aufbauschen können. Von dieser Sorte haben wir natürlich noch so einige andere erlebt. Sei es der wütende Sprung Toni Leistners ins Publikum nach einem Pokalspiel des Hamburger SV, die „Rucksack-Affäre“ von Peter Knäbel während seiner HSV-Zeit oder ein Live-Video von Salomon Kalou aus der Hertha-Kabine während der Corona-Pandemie. Es gibt immer wieder Geschichten, die für sehr viel Aufregung sorgen – und unsere Tagesplanung zu einer raschen Umstrukturierung zwingen.

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