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AutorenbildFerdinand von Stolzmann

König Fußball - und dann? RUN Forward und die Begeisterung für den US-Sport

In Deutschland bestimmt der Fußball das öffentliche Sportinteresse und somit auch unsere Arbeit. Aber welche Sportarten begeistern uns noch und wie können wir sie aus egal welcher Entfernung verfolgen?



Im Großen und Ganzen kann man davon ausgehen, dass wir als Sportjournalisten uns mindestens um die 30 Stunden pro Woche intensiv mit der Sportwelt auseinandersetzen. Das heißt, wir sind bei Traningseinheiten vor Ort, wir planen Inhalte, recherchieren Themen und filmen und schneiden Beiträge. Dabei können wir nur bedingt darüber entscheiden, über was genau wir denn berichten wollen. Klar: Natürlich beeinflussen wir schon, ob wir uns intensiver mit dem HSV, dem FC St. Pauli oder doch mit Werder Bremen befassen. Allerdings fällt bei dieser Auflistung schon auf, dass es sich ausschließlich um deutsche Fußballvereine im Norden handelt. Um es zusammenzufassen, stellen wir uns zwei Kernfragen: Welche Inhalte sind gefragt? Und welche Themen werden dann von möglichst vielen Zuschauern konsumiert?

Da fällt in Deutschland die Wahl selbstverständlich auf den König Fußball, der mit Abstand die meisten Fans und somit auch Zuschauer mit sich bringt. Und das ist für uns auch kein Thema, sonst wären wir ja schließlich im Sportjournalismus falsch. Aber: Jeder bei uns verfügt über zahlreiche weitere sportliche Interessen, alle verfolgen andere Sportarten oder Wettbewerbe.

Ab und zu führen uns Aufträge zu Handballspielen oder zu Dartsturnieren – in unserer Freizeit, das fällt immer wieder auf, bringt uns unsere Begeisterung für den Sport aber immer wieder über den Antlantik in die USA.

US-Sport ist ein etwas mystischer Überbegriff für die vier großen Ligen: NFL, NBA, MLB & NHL - also Football, Basketball, Baseball & Eishockey. In der Regelsitzen wir gemütlich zu Hause und schauen hier und da mal rein ins Programm der Major Leagues. Außerdem informieren wir uns im Internet und auf Social-Media-Accounts über das aktuelle Geschehen. „Über den Atlantik“ - das traf im wahrsten Sinne des Wortes auf Nico und mich zu:



Nico reiste im Februar 2017 nach Miami, um einen Freund zu besuchen und verband die Reise in die Staaten direkt mit gleich drei Ausflügen ins benachbarte Sunrise, wo die Florida Panthers aus der Eishockeyliga NHL ihr Zuhause haben. Innerhalb einer Woche schaute Nico ganze drei Partien und schlug jedes Mal zwei Fliegen mit einer Klatsche: Zum einen spielte zu der Zeit sein Lieblingsspieler Jaromir Jagr bei den Panthers, die im Juni 2024 ihren ersten Stanley Cup gewinnen konnten. Zum anderen traf die Mannschaft aus dem Sunshine-State auf drei kanadische Teams, aus der Heimat des Eishockeys in Nordamerika. Darunter waren auch die Edmonton Oilers, ehemalige Wirkungsstätte von Legende Wayne Gretky und heute das Team von Deutschlands bestem Eishockeyspieler Leon Draisaitl.



Drei Ligaspiele innerhalb einer Woche, dass ist in den USA beim Eishockey und auch beim Basketball das normalste der Welt. Im American Football hat man dagegen einen eher ruhigeren Spielplan, der dem aus der deutschen Fußball-Bundesliga schon nahe kommt. In der NFL hat jedes Team pro Saison 17 Spiele in 18 Wochen. In der NHL und NBA absolvieren die Mannschaften 82 Partien in sechs Monaten. Dem ganzen setzt die MLB die Krone auf: Die 30 Franchises bestreiten im Zeitraum von April bis einschließlich September insgesamt 162 Spiele! Im Normalfall bedeutet das, dass ein Team an sechs von sieben Tagen in der Woche ein Spiel bestreitet. Das ist körperlich für die Spieler eine große Herausforderung, aber dennoch möglich, da es gerade beim Baseball viele Phasen gibt, in denen man „nur zuschaut“. Die Sportart hat sich in den vergangenen zehn Jahren aber stark gewandelt: Durch eine Pitchclock ist das Spiel deutlich schneller geworden und auch die Spieler sind absolute Ausnahmeahleten, die Schlagen, Werfen, Laufen und Fangen nahe der Perfektion beherrschen müssen. Schließlich wird von vielen vielen Experten aus den verschiedensten Sportarten behauptet, dass das Treffen des Baseballs mit dem Schläger auf dem Niveau der MLB das schwerste im weltweiten Profisport ist.



Die Vielfalt des Spiels und die generelle positive Stimmung auf dem Platz hat mich schon vor knapp zehn Jahren in ihren Bann gezogen. Im September dieses Jahres konnte ich dann erstmals zu einem Spiel in die USA reisen. Für mich ging es zu meinem Lieblingsteam nach Boston, zu den Red Sox. Bevor man zu einem Baseballspiel geht, muss man sich eines vor Augen führen: Die 162 Saisonspiele haben großen Einfluss auf die einzelne Partie. Eine Niederlage ist nicht ganz so dramatisch, ein Sieg nicht ganz so vielsagend wie in vielen anderen Sportarten. Und genau so gehen die Fans eine Partie an. Vor dem Stadion ist die Stimmung ausgelassen und friedlich. In meinem Fall waren die Baltimore Orioles, ein Divisionsrivale der Red Sox, zu Gast und aufgrund der nicht all zu großen Distanz zwischen den Städten waren auch viele Fans der O's im Stadion. Die konnten ganz entspannt durch jeden Eingang rein, ihre Trikots und Kappen tragen, ohne dass es zu ernsthaften Auseinandersetzungen mit Fans der Red Sox kam. Und auch sonst stand eine vergnüglich entspannte Zeit für alle Fans im Vordergrund. Vor dem Haupteingang turnte ein typisch amerikanisch verkleideter Stelzenläufer umher und jonglierte mit ein paar Baseballs. An den Straßenecken wurden Hot Dogs, Popcorn und Nüsse verkauft. Das Publikum war dabei so bunt gemischt, wie man es sonst bei keiner anderen Sportart sehen kann. Es gab leidenschaftliche Fans, die mit Kutte und Kappe kamen und es gab neutral gekleidete Fans, die gerade ihren Feierabend mit ein paar Kollegen beim Spiel einläuteten. Dieses lockere Drumherum hat für mich den Spitznamen „The National Pastime“, also der nationale Zeitvertreib, bestätigt.



Auch die geschichtlichen Rahmenbedingungen der MLB haben Baseball diesen Spitznamen verpasst. Baseball wird seit 155 Jahren professionell in den USA gespielt, die MLB ist dabei seit 123 Jahren die etablierte Profiliga. Die Red Sox tragen ihre Heimspiele im legendären Fenway Park aus. Das Stadion wurde 1912 eingeweiht und ist mit über 100 Jahren das älteste Stadion im amerikanischen Profisport. Die Spielstätte ist traditionsbewusst über die Jahre immer wieder erneuert worden, ohne dabei die markanten Merkmale wie das mintgrüne Design oder die hohe Wand (The Green Monster) im linken Außenfeld zu verändern. Das Thema der alten mystischen Spielstätte wird auch auf den modernen elektronischen Bildschirmen im Stadion durchgezogen. Der Hintergrund der Screens ist ebenfalls im hellen Grünton gehalten, sodass es den Anschein macht, als wären es immer noch die alten Metallwände, auf denen der Spielstand mit kleinen Tafeln angezeigt wird. Auch die Statuen von Vereinslegenden vor dem Stadion wie von Babe Ruth oder David Ortiz sorgen für ein historisches Flair – nicht umsonst trägt der Fenway Park den Spitznamen „Americas Most Beloved Ballpark“.

Den Sport selbst einmal hautnah miterleben zu können, verändert sofort die Sicht auf die Abläufe auf dem Feld und die Geschichten drumherum. Kaum war ich zurück, habe ich noch mehr Spiele im TV oder Stream geschaut und noch mehr Artikel gelesen.

Auch bei Nico ist das Interesse an der NHL nicht abgeflacht. Nach einem Spiel der Oilers und Draisaitl schaut er sich morgens immer die Highlights an, ohne vorher das Ergebnis nachzuschlagen.

Und wie sieht es bei unseren Kollegen Dennis und Löwi aus? Die beiden wagen zumindest auf dem Sofa den Blick in die USA und verfolgen die Ergebnisse und großen Schlagzeilen in der NFL. Dass wir mit unserer Begeisterung für die Major Sports neben dem europäischen Fußball nicht alleine sind, zeigt allein der Blick auf diese aktuelle Woche: Am Sonntag ist die NFL im dritten Jahr in Folge in Deutschland zu Gast und trägt ein Spiel in München aus. Die NHL ist regelmäßig in Europa unterwegs. In der Preseason waren die Buffalo Sabres mit dem Deutschen J.J. Peterka in München und am vergangenen Wochenende waren die Dallas Stars und die Florida Panthers in Finnland unterwegs. Auch die NBA sucht den Kontakt zu ihren europäischen Fans und träg einmal pro Saison ein Spiel in Paris aus. Die MLB ist ebenfalls seit ein paar Jahren in Europa am Start und präsentiert sich einmal im Jahr für zwei Spiele in London.

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