Überraschender Kurztrip: Bei Mino Raiola in Monaco
- Niclas Löwendorf
- 24. März
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 24. März
Es war der 4. Dezember 2021. Ein normaler Samstagmorgen, an dem ich gerade am Frühstücken war. Plötzlich klingelte mein Handy, wodurch mein Tag eine völlig neue Wendung bekam. Mein damaliger SPORT1-Kollege Patrick Berger war am anderen Ende der Leitung - und das mit einer der kuriosesten Anfragen, die ich je bekommen hatte: „Hast du Zeit, heute mit mir nach Monaco zu fliegen? Ich habe die Zusage für ein Exklusivinterview mit Mino Raiola!“.
Die Frage nach meiner Zeit stellte sich gar nicht. Selbst wenn ich verplant gewesen wäre, hätte ich für diesen Job alles freigeräumt. Natürlich habe ich sofort zugesagt. Also hieß es: Flüge buchen, Equipment holen, Koffer packen.
Der gleiche Abend: Angekommen am Flughafen von Nizza, holte mich Patrick ab und fuhr mit mir rüber nach Monaco. Das Interview sollte erst am nächsten Tag stattfinden, sodass wir den Abend noch für Sightseeing nutzen konnten. Wir schlenderten durch die beleuchteten Gassen von Monte-Carlo, Klischees wurden dabei schnell bedient: Monaco, Hotspot der Superreichen. Luxus ist hier Alltag. Louis Vuitton, Rolex und weitere noble Marken sind unübersehbar im Stadtkern präsent, das eindrucksvolle Casino am gleichnamigen „Place du Casino“ ist ein Blickfang.

Doch so teuer die Stadt wirkt, so überrascht war ich von den überschaubaren Hotelkosten. Morgens nichtsahnend in Hamburg aufgewacht, abends plötzlich im Hotelbett an der Côte d’Azur - ein Paradebeispiel, wie schnell es in unserem Job gehen kann.

Am Sonntagmorgen ging es direkt in die Vollen. Nach einem kurzen (und wiederum sehr teuren) Frühstück hieß es: Schnittbilder produzieren, das Tageslicht nutzen und alle bekannten Spots des kleinen Staats filmisch einfangen. Yachten und der bekannte Hafen waren meine erste Anlaufstelle. Kurze Zeit später machten wir uns auf den Weg zum Büro von Mino Raiolas, einem der einflussreichsten Spielerberater des Fußballgeschäfts. Wir kamen zu einem sechsstöckigen Gebäude, natürlich mit goldenen Verzierungen. An der Tür empfing uns der Mann höchstpersönlich, der die Interessen von Spielern wie Erling Haaland, Zlatan Ibrahimovic und Paul Pogba vertritt. Raiola trug Kapuzenpullover und Jeans und wirkte damit wie ein Kontrast zur schillernden Außenwelt.

Vier Zimmer, fünf Mitarbeiter, eine familiäre Stimmung. Zu meiner Überraschung sprach Raiola Deutsch. Geboren ist er in Italien, aufgewachsen im niederländischen in Haarlem. Sein erstes Geld hatte er im Restaurant seiner Eltern verdient und lernte dort, was harte Arbeit bedeutet. Mit nur 20 Jahren wurde er Sportdirektor beim HFC Haarlem, der Grundstein eines kometenhaften Aufstiegs. Doch lange blieb er nicht beim niederländischen Zweitligisten, machte sich schnell als Spielerberater selbstständig.

Beeindruckt war ich, wie akribisch er sich selbst auf unser Interview vorbereitet hatte. Er wusste vieles über SPORT1 und meinen Kollegen Patrick Berger, der das Interview führte.
Mehr als drei Stunden nahm sich der Star-Berater Zeit für uns, zeigte uns sein Büro, seine James-Bond-Sammlung und seine Kunstwerke. „Never stop dreaming big“ - ein Leitsatz seines Lebens.
Drei Kameras, zwei Mikros und ein Licht baute ich für das 90-Minütige Interview auf. Die Inhalte des Gesprächs waren höchst interessant. Es wurde deutlich: Als Kern seines Erfolgs sah der Italiener stets seinen unermüdlichen Einsatz für all seine Klienten. Sir Alex Fergueson nannte ihn einst einen Mistkerl. Raiola liebte es zu streiten. In seiner Karriere war er an Deals mit knapp einer Milliarde Euro Transfererlöse beteiligt.
„Ich suche mir keine Spieler aus, die Spieler suchen mich aus!“ Ein Satz, der mir aus dem Interview hängen geblieben ist, genauso dass Raiola an einem Piloten-Führerschein arbeitete, um künftig selbst zu seinen Verhandlungen fliegen zu können.
Doch dazu sollte es nie kommen. Nur fünf Monate nach meinem Besuch in Monaco, im April 2022, kam die überraschende und schockierende Nachricht, dass Mino Raiola im Alter von nur 54 Jahren verstorben ist. Wahrscheinlich haben wir eines der letzten großen Interviews mit dieser schillernden Figur des Weltfußballs geführt.
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